Mammographische Mikrokalkanalyse und Histologie des Mammakarzinoms

Während der Pathologe die karzinomatöse Umwandlung der Zellen und Zellverbände direkt beobachten kann und der Nachweis von Mikroverkalkungen für ihn nur einen unbedeutenden Nebenbefund darstellt, sind die Verkalkungen für den Mammographeur eine wichtige diagnostische Leitstruktur. 1951 wurde von Leborgne [Leborgne 1951] zum ersten Mal über den radiologischen Nachweis von kleinsten Verkalkungen in Zusammenhang mit Karzinomen der Mamma berichtet. Seitdem konzentriert sich das Interesse des Untersuchers auf Mikrokalkansammlungen als mammographische Leitstrukturen zur Detektion intraduktaler Karzinome, die sich oft im präinvasiven Stadium als duktales Carcinoma in situ (DCIS) befinden. In diesen Fällen können die nur mammographisch erfaßbaren Verkalkungen ohne Weichteilverdichtungen der einzige frühe Hinweis auf einen bösartigen Prozeß sein.

Um eine mammographische Karzinomdiagnostik aufgrund der Analyse der Mikrokalk­morphologie zu ermöglichen, wurden morphologische Kriterien für die Mikrokalkanalyse durch Korrelationen mit dem histopathologischen Befund erarbeitet. Die bisherigen von der Subjektivität des Untersuchers geprägten Analysen mit unterschiedlicher Terminologie machten einen Vergleich der Untersuchungs­ergebnisse unmöglich. Zur Illustration dieses methodischen Problems soll die Zusammenfassung der beschreibenden Adjektive für mit einem Karzinom einhergehende Mikroverkalkungen anhand eines Literaturüberblicks von Lanyi unter Berücksichtigung von 25 Publikationen (1951 bis 1984) dienen [Lanyi 1986]:

amorph, bizarr, eckig, elongiert, fein, feinkörnig, feinschollig, flau, glatt, grob, halbmondförmig, irregulär, kaulquappenförmig, kometförmig, kristallin, linienförmig, nadelförmig, Polymorphie, rundlich, salzkornartig, sandkörnchenartig, spikulaförmig, spitzenartig, stabförmig, Stippchen, uneinheitlich, unregelmäßig, verästelt, wellig, wurmförmig.

Zur Vereinheitlichung der Terminologie bei der Befundmitteilung und Abschätzung des mammographischen Verdachts auf Malignität wurde von dem American College of Radiology ein Katalog von definierten mammographischen Befunden vorgestellt (Breast Imaging Recording and Data System, BI-RADS) [American College of Radiology 1995], der auch internationale Bedeutung erlangt hat. Hinsichtlich der Einordnung und Differenzierung gutartiger von bösartigen Mikroverkalkungen bleibt dieser Katalog jedoch hinter der im deutschen Sprachgebrauch üblichen Terminologie zurück, die im Wesentlichen auf den Arbeiten von Lanyi beruht. Dieser erarbeitete in enger Anlehnung an die Histologie umfangreiche morphologische Kriterien zur mammographischen Dignitätsbeurteilung der Mikroverkalkungen.

Anatomisch besteht die Mamma aus dem Drüsenkörper, der sich aus 15 bis 20 nebeneinanderliegenden Drüsenlappen (Lobi, Segmente) zusammensetzt. Jeder Drüsenlappen besitzt einen Hauptmilchgang, der auf der Mamille endet oder retromamillär über Milchsäckchen (Sinus lactiferi) mit anderen Milchgängen kommunizieren kann. Die Drüsenlappen (Lobi) teilen sich weiter in bis 2mm große Drüsenläppchen (Lobuli) auf, in denen sich die terminalen Milchgänge und die Drüsenendstücke (Azini, Alveoli) befinden. Ausgekleidet mit Zylinderepithel werden sie von Myoepithelzellen (Korbzellen) und der Basalmembran umgeben. Diese terminale duktulobuläre Einheit ist das histopathologische Korrelat, in dem die Mehrzahl der benignen und malignen Brustdrüsenerkrankungen entstehen.

Adenosen sind gutartige proliferative Veränderungen der Lobuli mit Hyperplasie der Epithel- und Myoepithelzellen. Sie werden meist dem Oberbegriff "Mastopathie" subsummiert und sind klinisch prämenstruell gelegentlich mit leichten Schmerzen (Mastodynie) verbunden. Im Rahmen hormonabhängiger proliferativer Vorgänge kann es zu Erweiterungen (mikrozystische Mastopathie, blunt duct adenosis) oder Einengung der Lumina der Azini (sklerosierende Adenose) in den Lobuli kommen (Abbildung 1). Lobulären Mikrokalk in Verbindung mit gutartigen Adenosen erkennt man aufgrund der Läppchenarchitektur mammographisch als rundliche Kalkgruppen mit typischen Semmel- und Morulaanordnungen sowie Facettierungen der eng aneinanderliegenden Einzelverkalkungen, die lediglich durch die Azinuswände voneinander getrennt sind. Je nach Proliferationsform der Adenose stellt sich der Mikrokalk entsprechend der Größe der Azini entweder

·        als Kalkmilch mit Sedimentationseffekt in der mediolateralen Projektion (Teetassenphänomen bei mikrozystischer Mastopathie),

·        als rundliche, facettierte (blunt duct adenosis) oder

·        als punktförmige Einzelverkalkungen (sklerosierende Adenose) dar [Lanyi 1997].

 Bei allen diesen Verkalkungsformen handelt es sich um appositionell wachsende schalenförmige rundliche Psammonverkalkungen im Sekret sekretorisch aktiver Drüsenanteile.

 

Abbildung 1: Adenosen und Mikrokalk: Schematische Darstellung modifiziert nach Lanyi [Lanyi 1986]. Normaler Lobulus im Längs- (a1) und Querschnitt (a2). Blunt-duct-Adenose (b) mit rundlichen, teilweise facettierten Mikroverkalkungen (b3). Die Facettierungen entstehen durch die Septen zwischen den Lichtungen der Azini. Die Architektur des Lobulus erklärt die runde Gruppenform teilweise mit Semmel- und Morulaanordnungen. Sklerosierende Adenose (c) mit feinen Mikroverkalkungen (c3), die differentialdiagnostische Probleme in der Abgrenzung zum Karzinom aufwerfen können. Kleinzystische Adenose (d) mit Sedimentation der Mikroverkalkungen und Entstehung des Teetassenphänomens in der lateralen Projektion (d3).

 

 

Den ebenfalls mit Verkalkungen einhergehenden duktalen Typ des Mammakarzinoms kennzeichnet eine intraluminale epitheliale Proliferation in den terminalen und interlobulären Milchgängen [Sloane et al. 1997]. Im präinvasiven Frühstadium, das für die Brustkrebsfrüherkennung besonders wichtig ist, kommt es zu einer intraduktalen Ausbreitung der Tumorzellen als duktales Carcinoma in situ (DCIS). Wachstumsmuster, Zelltypisierung, Kernmalignitätsgrad, immunhistologische Marker und Differenzierung sind zur Bestimmung des Malignitätsgrads in Form verschiedener histopathologischer Klassifikationen herangezogen worden [Böcker et al. 1997].

Für die mammographische Diagnostik hat sich die Differenzierung nach dem Vorhandensein von Komedonekrosen in ein Komedo- versus Non-Komedo-DCIS bewährt. Der Komedo-Typ zeigt ausgedehnte Nekrosen in den erweiterten Milchgängen. Diese Nekrosen verkalken und imponieren mammographisch aufgrund ihrer typischen intraduktalen Ausbreitung wie ein Ausguß der Milchgänge. Der DCIS vom Komedo-Typ bietet mammographisch wegen der typischen Morphologie der granulären Mikroverkalkungen mit Polymorphie und x,y,z-Formen meist keine größeren diagnostischen Schwierigkeiten. Die Erkennung gerade dieser Form des DCIS ist wichtig, da aufgrund der niedrigen Differenzierung ein exspektatives Vorgehen kontraindiziert ist [Holland und Hendriks 1994; Kreipe et al. 1994].

Im Gegensatz dazu ist das Non-Komedo-DCIS mit einer höheren Differenzierung und einem niedrigeren Malignitätsgrad korreliert. Es weist keine Nekrosen auf und zeigt ein überwiegend kribriformes mikropapilläres Wachstumsmuster mit siebartigen, schweizerkäseartigen porösen Strukturen in den mit Tumorzellen ausgefüllten Drüsenlumina (kribriform) oder stummelartig nach luminal gerichteten Epithelknospen (mikropapillär) (Abbildung 2). Die Formen der Einzelverkalkungen sind mammographisch oft nicht von gutartigen azinären Mikroverkalkungen (z.B. sklerosierende Adenose) zu unterscheiden. Ebenso wie bei dem azinären Verkalkungstyp handelt es sich bei diesem Mikrokalk überwiegend um appositionell wachsende schalenförmige rundliche Psammonverkalkungen.

In diesen Fällen kann die Analyse der Form der Mikrokalkgruppe differentialdiagnostische Hinweise liefern. So bildet sich ein DCIS oder invasives duktales Mammakarzinom aufgrund des intraduktalen Wachstums mit segmentaler Anordnung der Mikroverkalkungen mammographisch als dreieckförmige oder trapezoide Mikrokalkgruppe ab (Abbildung 2). Bei konsequenter Anwendung dieses "Prinzip der dreieckförmigen Mikrokalkgruppe" konnte Lanyi hinsichtlich der mammographischen Diagnose des duktalen Karzinoms mit Mikroverkalkungen eine Sensitivität von 97,6 % bei einer Spezifität von 73,3 % erhalten [Lanyi 1982; Lanyi und Neufang 1984].

 

Abbildung 2: Segmentale intraduktale Karzinomausbreitung aufgrund der Anatomie des Milchgangsystems (a). Intraduktale Anordnung von verkalkten Nekrosen beim duktalen in-situ Karzinom vom Komedotyp (b1). Mikroverkalkungen beim duktalen in-situ Karzinom vom mikropapillär-kribriformen Typ (nach Lanyi [Lanyi 1986]).

 

Präparateradiographie und interventionelle Mammographie

Ein mammographisch malignomverdächtiger Befund mit Mikroverkalkungen in der Brustdrüse muß einer histologischen Klärung zugeführt werden. In der Regel erfolgt die Gewebeentnahme durch eine operative Probeexzision. Nach einer präoperativen palpatorischen, sonographischen, mammographischen oder kernspintomo­graphischen Markierung des verdächtigen Areals mit einer Drahtmarkierung - alternativ auch Farbstoff- oder Kohlepartikelmarkierung - wird der Herd zusammen mit dem Markierungsdraht operativ entfernt. Bei verdächtigem Mikrokalk muß zur Sicherstellung der vollständigen Erfassung des Areals eine Präparateradiographie erfolgen. Das Ergebnis der Präparateradiographie wird dem Operateur sofort mitgeteilt, da bei einer fehlenden oder unvollständigen Erfassung des verdächtigen Areals Nachresektionen durch den Operateur erfolgen müssen. Gleichzeitig wird das Präparat an den Pathologen zur histologischen Aufarbeitung weitergeleitet.

Vorteile des operativen Vorgehens im Vergleich zur Fein- oder Grobnadelbiopsie sind die Möglichkeit zur sofortigen Erweiterung des operativen Eingriffs mit Dissektion der Axilla und Gewinnung der Lymphknoten bei histologischem Nachweis eines invasiven Karzinoms sowie die erhöhte Wahrscheinlichkeit, aufgrund der Entfernung eines größeren Gewebevolumens, den malignomverdächtigen Mikrokalkherd komplett zu erfassen. Der Nachteil ist der hohe Anteil von retrospektiv unnötigen Operationen bei fehlendem histologischen Malignomnachweis aufgrund der geringen Spezifität der diagnostischen Methoden. Im Rahmen der Deutschen Mammographiestudie lag der positive Vorhersagewert (PPV, relativer Anteil der bösartigen histologischen Befunde im Verhältnis zu den Biopsieempfehlungen) kumulativ bei 0,34 [Robra et al. 1994a]. Demnach waren 2/3 der Operationen, die aufgrund der mammographischen Diagnose "malignomverdächtig" (Mikroverkalkungen, sternförmige Verdichtungsstrukturen, Architekturstörungen und Gewebeasymmetrien) durchgeführt wurden, retrospektiv nicht indiziert gewesen. Weitere Nachteile sind das Narkoserisiko, ein kostspieliger stationärer Aufenthalt von mehreren Tagen sowie eine sowohl kutane als auch intramammäre postoperative Narbe, die neben kosmetischen Aspekten eine spätere Früherkennung von Brustkrebs erschwert.

In den letzten Jahren fanden zunehmend minimalinvasive diagnostische Verfahren wie die Fein- oder Grobnadelbiopsie Verbreitung. Diese Verfahren hinterlassen so gut wie kein Narbengewebe und die Kosten betragen etwa ein Drittel der Kosten für die Operation, da sie ohne Narkose ambulant durchgeführt werden können [Burkhardt und Sunshine 1999]. Hierbei wird mit Hilfe eines bildgebenden Verfahrens der verdächtige Herd lokalisiert.

Für die Lokalisation von Mikroverkalkungen werden stereotaktische Verfahren eingesetzt. In Abbildung 3 ist das Prinzip der stereotaktischen Lokalisation schematisch gezeigt. Die Brust wird mit jeweils 10 Grad zur Senkrechten mammographiert. Man erhält hierdurch zwei Bilder, die sich mit Hilfe der Abbildung eines fest eingebauten Markers in Beziehung setzen lassen. Je nach Höhe (z-Koordinate) des zu lokalisierenden Herdes wird dieser bei gleichen x und y-Koordinaten an verschiedenen Orten abgebildet. Der Höhenabstand des Herdes vom Bildempfängersystem errechnet sich aus der Hälfte des Abstands der Abbildungen des Herdes auf den beiden Bildausschnitten (Lateralverschiebung) geteilt durch den Tangens von 10o. Ein Mikrocomputer errechnet die x -, y - und z - Koordinaten unter Verwendung des oben beschriebenen Algorithmus und gibt elektronisch die Werte an die Biopsieeinheit über eine Schnittstelle weiter. Die Biopsie kann dann vollautomatisch  durch motorisiertes Vorschieben der Biopsienadel auf die berechneten Koordinaten in der Brust erfolgen.

 

Abbildung 3: Schematische Darstellung des Prinzips der stereotaktischen Mammabiopsie.

 

Mehrere Studien haben über hohe Sensitivitäts- und Spezifitätswerte perkutaner Stanzbiopsieverfahren hinsichtlich des Nachweises von Mammakarzinomen berichtet [Jackman et al. 1994; Liberman et al. 1995a; Liberman et al. 1995b; Liberman et al. 1995c; Liberman et al. 1997b; Schulz-Wendtland et al. 1993; Schulz-Wendtland et al. 1997]. Im Vergleich zur sonographisch geführten Nadelbiopsie ist bei der stereotaktisch geführten Stanzbiopsie von Mikrokalzifikationen ohne Weichteilanteil die Sensitivität reduziert [Liberman et al. 1997a]. Dies liegt überwiegend an der geringen Größe der Areale mit teilweise nur vereinzelt vorkommenden Mikrokalzifikationen. Die in das weiche Drüsengewebe eindringenden Nadeln können zu einer Verlagerung der angepeilten Mikroverkalkungen führen. In den letzten Jahren werden minimalinvasive Biopsieeinheiten angeboten, die den Eingriff bei der liegenden Patientin ermöglichen. Spezielle Nadeln mit einem Vakuumansaugsystem sollen gezieltere und umfassendere Entnahmen mit einer Reduktion der Trefferversager ermöglichen [Heywang-Köbrunner et al. 1998; Meyer et al. 1997; Parker und Klaus 1997].

J.-H. Grunert

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