Mammographie und Mammakarzinom

Mit einem Anteil an der geschlechtsspezifischen Gesamtsterblichkeit von 3,9 % ist der Brustkrebs seit Jahren die häufigste Krebstodesursache bei Frauen. Das Mammakarzinom ist bei Frauen die Ursache für 17,9 % der Todesfälle durch bösartige Neubildungen. Allein in Deutschland starben 1995 bei einer Erkrankungshäufigkeit von 42600 Erkrankungen 18674 Frauen an dieser heimtückischen Krankheit [Becker 1998].

Die Erkrankungshäufigkeit hat in Deutschland zwischen 1978 und 1995 um etwa 25 % zugenommen [Engel und von Klot-Heydenfeldt 1999]. Diese Zunahme betrifft alle Altersgruppen, d.h. auch bei Frauen unter 40 ist eine Zunahme der Erkrankungshäufigkeit zu beobachten, jedoch im Vergleich zu den anderen Altersgruppen nicht überproportional [Jung 1998]. Während in Deutschland zur Zeit etwa 9% aller Frauen an Brustkrebs erkranken, werden von den jetzt lebenden Frauen etwa 12% dieses Schicksal irgendwann in der Zukunft erleiden [Jung 1998]. Im Vergleich hierzu starben laut Statistischem Bundesamt 1997 in Deutschland 2286 Frauen an Verkehrsunfällen und 147 Frauen an Aids [Statistisches Bundesamt 1999].

Seit einigen Jahren ist ein leichter Rückgang der Mortalitätszahlen zu beobachten.

Die 5-Jahres-Überlebensraten stehen in direktem Bezug zur Tumorgröße. Die Tumorgröße wiederum steht in enger Abhängigkeit zur Häufigkeit des Lymphknotenbefalls und der Fernmetastasierung. Ein Tumor unter 1 cm Größe hat eine sehr gute Prognose mit einer 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von 95%. Diese Rate sinkt auf 63% bei einer Tumorgröße von mehr als 5 cm [Carter et al. 1989].

Demnach ist die Früherkennungsuntersuchung mit dem Ziel, bereits präinvasive Carcinomata in situ (Krebsformen vor dem Einwachsen in die Umgebung und vor dem Einbruch in Blutgefäße) bzw. frühinvasive Karzinome unter 1 cm Tumorgröße zu entdecken, histologisch (feingeweblich) abzuklären und zu behandeln, der zur Zeit wichtigste Beitrag zur Senkung der Sterblichkeit.

Die Mammographie (Röntgenuntersuchung der Brust) hat als einzige diagnostische Methode im Rahmen von Screening- (Reihen)untersuchungen einer größeren Bevölkerungsgruppe in vielen internationalen Studien den Nachweis einer deutlichen Senkung der Sterblichkeit an Brustkrebs erbracht. Bereits in den sechziger Jahren (1963-1970) wurde durch eine groß angelegte Mammographiestudie in New York mit 31000 mammographierten Teilnehmerinnen und einer vergleichbar großen Kontrollgruppe (Health Insurance Plan, HIP) der Nachweis einer Senkung der Sterblichkeit um 29 % nach 10 Jahren geführt, die auch noch 18 Jahre nach Beginn der Studie beobachtet werden konnte [Schreer und Frischbier 1997]. Dies widerspricht der Behauptung, daß die Mammographie lediglich eine Vorverlagerung der Diagnose mit scheinbarer Verlängerung der Überlebenszeit (Theorie der lead time bias) bewirkt [von Fournier et al. 1993]. In späteren Studien wurden die Ergebnisse der HIP-Studie teilweise übertroffen.

Einen Überblick über die randomisierten Studien (wissenschaftlich kontrollierte Studien mit zufälliger Verteilung der Teilnehmer in die Gruppe der Untersuchten und die Kontrollgruppe) gibt die folgende Tabelle:

 

Mortalitätssenkung infolge von mammographischem Screening (kontrollierte prospektive randomisierte Studien) [Robra et al. 1994b]
Land Altersgruppe relatives Risiko1 Konfidenzintervall (95%)
USA

(HIP)

40 - 64 0,79 (0,62;0,99)
Schweden

(Malmö)

< 55

> 55

1,29

0,79

(0,74; 2,25)

(0,51; 1,24)

Schweden

(Gothenburg)

40 - 59 0,86 (0,54; 1,37)
Schweden

(Stockholm)

40 - 49

50 - 64

1,09

0,57

(0,4; 3,0)

(0,3; 1,1)

Schweden gesamt 40 - 49

50 - 59

0,87

0,71

(0,63; 1,20)

(0,57; 0,89)

Großbritannien (Guilford, Edinburgh) 45 - 64 0,84 (0,63; 1,12)
Kanada 40 - 49

50 - 59

1,36

0,97

(0,84; 2,21)

(0,62; 1,52)

 

Erklärung relatives Risiko: Ohne Screening (Früherkennung) liegt das relative Risiko bei 1. Durch Screeningverfahren lässt sich die Sterblichkeit senken. Ein relatives Risiko von 0,71 z.B. bedeutet eine Senkung der Sterblichkeit um 29 %.

Deutlich bessere Werte für die Sterblichkeitssenkung konnten in den drei Fall-Kontroll-Studien in Florenz (68 %,1970), Utrecht (70 %, 1974) und Nijmegen (50 %,1974) erzielt werden. Bei diesem Studiendesign werden die Ergebnisse unverfälscht von der tatsächlichen Beteiligungsrate in der Studiengruppe sowie unabhängig vom Anteil der außerhalb der Studie mammographierten Frauen in der Kontrollgruppe ermittelt.

Ein Teil der besseren Ergebnisse jüngerer Studien erklärt sich aus der Verwendung fortgeschrittener Techniken wie z.B. durch den Einsatz der Rastermammographie, eines verkleinerten Fokus (Brennfleck der Röntgenröhre) (Nennwert der Brennfleckgröße =< 0,4) sowie der Vergrößerungsmammographie.

Lediglich in einer Studie kam es in dem mammographierten Kollektiv der 40 bis 49-jährigen zu einer Erhöhung der Sterblichkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe (Canadian National Breast Screening Study). Kritiker dieser Studie weisen auf erhebliche methodische Mängel hin. So waren bei der angeblich nicht mammographierten Kontrollgruppe in 26% der Fälle außerhalb der Studie Mammographien durchgeführt worden [Schreer und Frischbier 1997].

Als bisher größte Studie wurde 1973 in Amerika das Breast Cancer Detection Demonstration Projekt (BCDDP) mit 280000 Teilnehmerinnen (etwa die Hälfte der Frauen unter 50 Jahre) gestartet. Im Rahmen dieser Studie wurden bei der Gruppe der 40-49-jährigen 35% der entdeckten Karzinome nur durch die Mammographie festgestellt . Aufgrund dieser Daten kann ein Mammographiescreening (Röntgenreihenuntersuchungen der Brust) bei Frauen in dieser Altersgruppe empfohlen werden [Schreer und Frischbier 1997]. Wegen des schnelleren Wachstums von Brustkrebs sollte gerade bei jüngeren Frauen die Mammographie im jährlichen Abstand erfolgen, um das Auftreten von Karzinomen im Untersuchungsintervall zu vermeiden.

Das Strahlenrisiko ist zu vernachlässigen, da nach Berechnungen von Jung das Nutzen-Risiko-Verhältnis (ausgehend von 30 % Senkung der Sterblichkeit des Mammakarzinoms bei jährlichen Mammographieuntersuchungen beider Seiten in 2 Ebenen bis zum 70. Lebensjahr im Verhältnis zum möglichen Sterben an einem durch Strahlen ausgelösten Brustkrebs) bei Beginn der Untersuchungen ab dem 40. Lebensjahr 100 (Nutzen) zu 1 (Risiko) und ab dem 50. Lebensjahr 400 (Nutzen) zu 1 (Risiko) beträgt [Jung 1998].

Viele Industrieländer haben auf die hohe und ansteigende Häufigkeit des Brustkrebses reagiert. Als erstes Land bot Schweden (1986) gefolgt von Finnland (1987) nationale Screeningprogramme an. England und die Niederlande folgten [Robra et al. 1994b]. In mehreren europäischen Ländern werden zur Zeit Pilotprogramme durch die Europäische Gemeinschaft im Rahmen ihres Programms "Europa gegen den Krebs" gefördert. Die Reduktion der Sterblichkeit trotz steigender Häufigkeit der Brustkrebserkrankungen in England und den USA wird als Erfolg durchgeführter Screeningprogramme gewertet.

Die 1994 veröffentlichten Ergebnisse der "Deutschen Mammographiestudie" mit 58647 Mammographien bei 33353 Patientinnen weisen auf die vielfältigen Probleme hinsichtlich der Durchführung eines flächendeckenden nationalen Screeningprogramms im organisatorischen (z. B. dezentralisiertes Gesundheitswesen, Fehlen von Krebsregistern (Seit 2000 in vielen Bundesländern im Aufbau), fehlende Qualitätssicherung mit regelmäßiger Fortbildung des ärztlichen und nichtärztlichen Personals, fehlende Doppelbefundung sowie fehlende Rückmeldung der histologischen Ergebnisse) und technischen Bereich (z.B. Brennfleckgröße, Dosisbelastung, Filmverarbeitung) hin.

Als Effekt ärztlicher Fortbildung in der Mammographie konnte die "Deutsche Mammographiestudie" zeigen, daß eine anfänglich unzureichende diagnostische Trefferquote von Seiten der Ärzte mit einem positiven Vorhersagewert (PPV, relativer Anteil der bösartigen histologischen Befunde im Verhältnis zu den Biopsieempfehlungen) von anfänglich 0,16 durch gezieltes Training auf 0,37 deutlich verbessert werden konnte [Frischbier et al. 1994].

In Deutschland findet zur Zeit mit 1990 1,5 Millionen und 1996 2,6 Millionen ambulant durchgeführten Mammographien [Schwing 1999] ein "wildes" Mammographiescreening ohne umfangreiche Qualitätskontrollen und wissenschaftliche Begleitung statt. Meistens beruhend auf der Eigeninitiative der Frauen erreicht dieses "Screening" etwa nur ein Viertel der 10 Millionen deutschen Frauen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren.

Ein bundesweites flächendeckendes Mammographiescreening ist in Deutschland aufgrund gesetzlicher Vorgaben im Aufbau. Ein Beginn dieses Programms ist Ende 2005 zu erwarten.

Die Palpation als Screeningmethode im Vorsorgeprogramm der Krankenkassen integriert, konnte ihre Wirksamkeit hinsichtlich einer Senkung der Sterblichkeit bisher nicht beweisen.

Aufgrund fehlender Erkennung kleinster Mikrokalzifikationen vermag die Mammasonographie (Ultraschalluntersuchung der Brust) nicht, in-situ Karzinome (Frühformen s.o.) ohne erfolgten Durchbruch des Tumorgewebes durch die Basalmembran zu diagnostizieren. Die Sonographie ist außerdem zeitaufwendig und daher in einem Reihenuntersuchungsverfahren (Screening) nicht durchführbar. Diese Methode bleibt der erweiterten klinischen Brustkrebsdiagnostik insbesondere bei jungen Frauen mit röntgendichtem Drüsengewebe vorbehalten und wird mit großem Erfolg ergänzend zur Mammographie eingesetzt.

Die Kernspintomographie weist bei Anwendung von Kontrastmittel wie Gd-DTPA sehr empfindlich invasive (in der Umgebung sich ausbreitende) Karzinome nach. Die Probleme dieser Methode sind die mangelnde Spezifität mit falsch-positiven Befunden (z.B. bei Fibroadenomen und fibrozystischer Mastopathie) sowie die hohen Kosten und der Zeitaufwand für die Untersuchung. Die Kernspintomographie ist daher für Reihenuntersuchungen nicht geeignet und ergänzenden klinischen Fragestellungen wie z.B. der Differenzierung von Tumorrezidiv (erneutes Auftreten eines Tumors) und Narbengewebe oder dem prä-(vor)operativen Nachweis eines multifokalen (an mehreren Stellen in einer Brust) Tumorbefalls vorbehalten. Hinsichtlich der Brustkrebsfrüherkennung von in-situ Karzinomen reicht ihre Sensitivität (Empfindlichkeit der Tumorentdeckung) von 40-70 % nicht aus und ist der Mammographie teilweise unterlegen [Kaiser 1996; Westerhof et al. 1998].

DiePositronenemissionstomographie (PET) weist aufgrund des eingeschränkten Auflösungsvermögens selbst tastbare Tumoren in 10-20 % der Fälle nicht nach [Avril et al. 1998] und eignet sich als Methode zur Früherkennung ebenso wenig wie die 99mTC-Sestamibi-Mammaszintigraphie [Tilling 1998]. Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass zur Zeit nur die Mammographie als Screeningverfahren für eine Brustkrebsfrüherkennung geeignet ist.

J.-H. Grunert

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